WhatsApp illegal?

Von Franz J Heidinger / Laurin Maran – Georg ist frustriert. Er ist ein Mensch, der nie ohne Ticket U-Bahn fährt, an jeder roten Ampel stehen bleibt und die grünen Flaschen in den Container für die grünen Flaschen wirft. Kurzum, Georg ist ein Mensch, der sich an Gesetze hält. Und da Georg sich auch in Zukunft an die Gesetze halten will, muss er heute noch 189 Menschen um eine Unterschrift bitten. Darunter seinen Friseur, seine Exfreundin Tina und einen Richard123, von dem er gar nicht genau weiß, wer das eigentlich ist.

Das Amtsgericht Bad Hersfeld (Deutschland) hat Georg dieses Schlamassel eingebrockt. Dies hat nämlich mit Beschluss vom 15.05.2017 festgestellt, dass ein WhatsApp-Nutzer von jeder Person, die er in seinem Handy gespeichert hat, eine Erlaubnis einholen muss. Wer den Nachrichtendienst nutzen will, muss nämlich zuvor einwilligen, dass die App auf die gespeicherten Kontakte zugreifen kann. Die Daten im Adressbuch werden dann automatisch an den Mutterkonzern Facebook übermittelt und mit anderen Nutzer abgeglichen. Was jedoch technisch nötig ist, ist rechtlich verboten.

„Wer durch seine Nutzung von „WhatsApp“ diese andauernde Datenweitergabe zulässt, ohne zuvor von seinen Kontaktpersonen aus dem eigenen Telefon-Adressbuch hierfür jeweils eine Erlaubnis eingeholt zu haben, begeht gegenüber diesen Personen eine deliktische Handlung und begibt sich in die Gefahr, von den betroffenen Personen kostenpflichtig abgemahnt zu werden.“ (AG Bad Hersfeld, 15.05.2017 – F 120/17 EASO, Leitsatz 5)

„Kostenpflichtig abgemahnt zu werden“ klingt wie eine Einladung an die Gattung von Rechtsanwälten, die ihr Geld gewöhnlich damit verdienen, den kleinen Timmy abzumahnen, weil er sich das neuste Lied von Tokio Hotel heruntergeladen hat. Für alle anderen klingt es wie das, was es ist: Eine Drohung.

Laut Gericht ist somit von jeder Person, deren Nummer man gespeichert hat, eine schriftliche Einverständniserklärung einzuholen. Sollte dies nicht gelingen, werden drei Lösungen angeboten, wie WhatsApp-Nutzer trotzdem wieder auf den Pfad der Rechtschaffenheit gelangen können:

  1. Möglichkeit: Alle Kontakte vom Handy löschen.
  2. Möglichkeit: Die App daran hindern, auf das Adressbuch zuzugreifen.
  3. Möglichkeit: WhatsApp löschen.

Sollte man herausgefunden haben, wie die 2. Möglichkeit funktioniert, hat dies den nicht unerheblichen Nebeneffekt, dass anstelle der Namen nurmehr die Telefonnummern aufscheinen. Somit führen alle Tipps des Gerichts zum selben Ergebnis: WhatsApp wird völlig unbrauchbar.

Eine Lösung aus dieser Bredouille bietet die ab Mai 2018 geltende Datenschutzgrundverordnung. In Art 2 Abs 2 lit c EU-DSGVO findet das Datenschutzgesetz keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten durch natürliche Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten. Georg hat somit Glück, wenn er sein Handy ausschließlich für private Zwecke nutzt.

Handlungsbedarf besteht allerdings bei solchen Personen, die ihr Handy sowohl privat als auch geschäftlich nutzen und WhatsApp installiert haben. In diesen Fällen liegt eine eindeutige Verletzung des Datenschutzgesetzes vor. Selbst wenn das Handy grundsätzlich nur privat genutzt wird, allerdings auch Kontaktdaten von Kollegen, Mitarbeitern oder Geschäftspartnern gespeichert werden, kann von keiner ausschließlichen persönlichen Nutzung mehr gesprochen werden. Die Behörde kann in solchen Fällen Geldbußen verhängen und die im Handy gespeicherten Personen haben unter Umständen einen Anspruch auf Schadenersatz.

Unternehmen, die ihre Mitarbeiter mit Firmenhandys ausstatten, sollten daher dringend darauf achten, die Nutzung von WhatsApp mit diesen Geräten strikt zu untersagen.

Eine Frage muss hingegen offen bleiben: Wer ist eigentlich dieser Richard123

Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018 – Ministerialentwurf liegt vor (Teil 2)

Von Franz J Heidinger / Laurin Maran – Der zweite Teil unseres Beitrags zum Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, in dem wir die weiteren Ziele des Gesetzes vorstellen möchten.

Anpassung des Grundrechts auf Datenschutz

Das verfassungsrechtlich verankerte Grundrecht auf Datenschutz soll nach Vorgabe der EU-DSGVO angepasst und verständlicher werden. So ist beispielsweise die Drittwirkung des Grundrechtes derzeit  nicht  ausdrücklich geregelt. Der eigentliche Zweck von Grundrechten ist es, die Bürger vor staatlicher Willkür zu schützen. Von einer Drittwirkung von Grundrechten spricht man dann, wenn sich die Schutzwirkung eines Grundrechtes nicht nur zwischen Staat und Bürger entfaltet, sondern auch zwischen Bürgern untereinander. Das Grundrecht auf Datenschutz ist das einzige verfassungsrechtliche gewährleistete Recht mit unmittelbarer Drittwirkung. Dies ist zwar unter Juristen bekannt, wurde aber noch nirgends in eine Norm gegossen. Bis jetzt, denn § 1 Abs 3 DSG 18 lautet wie folgt: „Das Grundrecht auf Datenschutz verpflichtet auch Private.“

Im noch aktuellen Datenschutzgesetz 2000 sind auch personenbezogene Daten juristischer Personen, also von Unternehmen, Vereinen, Stiftungen etc. geschützt. Dieser Schutz ist in der EU-DSGVO nicht mehr vorgesehen. Zukünftig haben nur noch natürliche Personen Anspruch auf Geheimhaltung der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

Regelung von Datenverarbeitungen zu spezifischen Zwecken

Die Datenverarbeitungen zu spezifischen Zwecken (zum Beispiel zum Zwecke der wissenschaftlichen Forschung und Statistik oder die Zurverfügungstellung von Adressen zur Benachrichtigung und Befragung von Betroffenen) sollen verständlicher ausgestaltet und an die Terminologie der EU-DSGVO angepasst werden.

Regelung der Bildverarbeitung

Zahlreiche Regelungen im DSG 2000 zum Thema Videoüberwachung haben sich in der Praxis nicht bewährt. Daher sollen diese Bestimmungen nun modernisiert und angepasst werden. Zu finden sind die neuen Bestimmungen im 6. Abschnitt des DSG 2018. Da hier allerdings ganz allgemein von Bildaufnahmen gesprochen wird, ist wohl davon auszugehen, dass nicht nur Videoaufnahmen, sondern auch Fotos geregelt werden sollen. Wie genau der 6. Abschnitt zu verstehen ist und welchen Einfluss das Gesetz auf spontane Schnappschüsse haben wird, werden wir in einem eigenen Blog-Beitrag erörtern.

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Soweit die sechs großen Ziele des geplanten neuen Datenschutzgesetzes. In wie weit der Entwurf noch überarbeitet wird, bleibt abzuwarten. Die Verhandlungen zur EU-DSGVO wurden zur größten Lobbyisten-Schlacht in der Geschichte der europäischen Union. Zwar geht es bei den verschiedenen nationalen Anpassungsgesetzen nur noch um Feinjustierungen, es ist aber wohl zu erwarten, dass sich die großen datenverarbeitenden Konzerne und ihre Interessensverbände diese Chance nicht entgehen lassen und nochmal versuchen werden, Einfluss zu nehmen. Es wird sich zeigen, welches Gesetz am Ende dabei herauskommen. Wir werden den Prozess jedenfalls aufmerksam beobachten und auf www.eu-dsgvo.at berichten.

Teil 1 dieses Beitrages finden Sie hier.

Rechte der Betroffenen (Teil 2): Auskunft

Von Franz J Heidinger / Laurin Maran – Nachdem der letzte Blog-Beitrag die Pflicht vorstellte, Betroffene aktiv und unaufgefordert über eine Datenverarbeitung zu informieren, widmet sich dieser Artikel dem Recht der Betroffenen, auf Antrag vom Verantwortlichen Auskunft über die von ihm verarbeitenden Daten zu verlangen.

Dieses Auskunftsrecht findet sich in Art. 15 der ab Mai 2018 geltenden Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) und bietet Betroffenen, also Personen, deren Daten verarbeitet werden, die Möglichkeit zu überprüfen, ob ihre Daten rechtmäßig verarbeitet werden. So müssen Sie beispielsweise über die Verarbeitungszwecke, die Kategorien der personenbezogenen Daten, die verarbeitet werden, die Empfänger, gegenüber denen die Daten offengelegt werden und die geplante Dauer, für die die Daten gespeichert werden, informiert werden. Wurden die Daten nicht von demjenigen erhoben, an den das Auskunftsersuchen gerichtet wurde, müssen alle Informationen über die Herkunft der Daten mitgeteilt werden. Ferner muss der Verantwortliche darüber informieren, ob sich der Betroffene bei einer Aufsichtsbehörde über ihn beschweren kann.

Nutzt der Verantwortliche ein Programm zur automatisierten Entscheidungsfindung, muss er aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für die betroffene Person bereitstellen.

Beispiel für eine automatisierte Entscheidungsfindung: Einer Person, die mit einem teuren Handy einen Flug bucht, wird ein anderer Preis angeboten wird, als einer anderen Person, die den gleichen Flug mit einem billigeren Handy bucht.cropped-20160916_1114211.jpg

Im österreichischen Datenschutz ist dieses Auskunftsrecht nicht völlig fremd, findet sich doch in § 26 DSG 2000 ein sehr ähnliche Regelungen.

Werden Daten an ein Drittland übermittelt, muss die Person, deren Daten übermittelt wurden, über die geeigneten Garantien unterrichtet werden, die sicherstellen müssen, dass seine Daten auch im Ausland geschützt werden. Solche Garantien können beispielsweise darin bestehen, dass auf verbindliche interne Datenschutzvorschriften oder auf von einer Aufsichtsbehörde genehmigte Vertragsklausel zurückgegriffen wird.

Bei all den zu erteilenden Informationen muss der Verantwortliche aber stets darauf achten, dass dabei nicht die Rechte und Freiheiten anderen Personen beeinträchtigt werden (Art. 15 Abs 4 EU-DSGVO).

All die eben beschriebenen Informationen hat der Verantwortliche kostenlos zur Verfügung zu stellen. Nur bei exzessiven Anträgen oder im Fall von Wiederholungen kann der Verantwortliche ein angemessenes Entgelt verlangen oder sich weigern, die Auskünfte zu erteilen. Dieses kostenlose Auskunftsrecht ist natürlich mit einigem Aufwand und Kosten für Unternehmen verbunden. Dennoch sollte diesen Pflichten gewissenhaft und rasch (binnen eines Monats) nachgekommen werden, denn diese Pflichten sind keineswegs nur Leitlinien oder grobe Orientierungshilfen, sondern können bei Verstößen mit erheblichen Geldstrafen sanktioniert werden.

Hier finden Sie die weiteren Teile unserer Reihe „Rechte der Betroffenen“:

TEIL 1: Informationsrecht

OGH vom 25.10.16, 4 Ob 165/16t: Wer widerrechtlich erlangte Daten nutzt, verstößt gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Von Franz J Heidinger / Laurin Maran – Dieser OGH-Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunden: Die streitenden Parteien dieses Verfahrens sind zwei konkurrierende Unternehmen, die Ticket- und Eintrittssysteme, unter anderem für Skigebiete und Stadien, erzeugen und vertreiben. Die Klägerin betreibt zudem Server, auf denen die internen Anwendungen ihrer Kunden installiert sind. Die Kunden können sich mittels Passwort auf diese Server einloggen und ihre Daten abrufen.

Einem Mitarbeiter der beklagten Partei gelang es, den Kennwortschutz dieser Server zu umgehen und auf die Daten zuzugreifen. Er hat bei einer Mitbewerberanalyse den Bildschirm eines Kunden der klagenden Partei fotografiert. Dem Foto konnte eine bestimmte Internetadresse (URL) entnommen werden. Mit dieser URL, Modifikationen der IP-Adresse und bestimmten Programmbefehlen konnten diverse Daten von Kunden des Konkurrenten ausgekundschaftet werden.

Mit diesen Daten konfrontierte der Beklagte in weiterer Folge die Kunden der Klägerin, unterstellte der Klägerin fehlende Datensicherheit und versuchte die Kunden abzuwerben.

Als die Klägerin davon Wind bekam, beantragte sie, das Gericht möge der Beklagten mit einer einstweiligen Verfügung verbieten, „die widerrechtlich aus der Verfügungsmacht der Klägerin erlangten Daten zu nutzen und/oder(…)  gegenüber Dritten zu offenbaren.“  Der Beklagten wurde weiter vorgeworfen, sie habe gegen § 6 Abs 1 und § 7 DSG verstoßen und außerdem sei dieses Verhalten strafbar, sowohl nach dem Strafgesetzbuch als auch nach dem Datenschutzgesetz. Dies begründe einen Anspruch nach § 1 UWG (Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch).

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass es sich bei den Daten nicht um Geschäftsgeheimnisse der Klägerin gehandelt habe, weil sie einfach (also ohne Passwortschutz) zugänglich gewesen seien und überhaupt sei die Klägerin nicht aktiv legitimiert, weil es sich nicht um ihre eigenen, sondern um die Daten ihrer Kunden gehandelt habe.

Die OGH-Richter haben nun festgestellt, dass es sich bei den Daten sehr wohl um Geschäftsgeheimnisse handelt. Bei Geschäftsgeheimnissen handelt es sich um „Tatsachen und Erkenntnisse kommerzieller oder technischer Art, die bloß einer bestimmten und begrenzen Zahl von Personen bekannt sind, nicht über diesen Kreis hinausdringen sollen und an deren Geheimhaltung ein wirtschaftliches Interesse besteht.“  Mangelhafte Sicherheitsstandards, wie in diesem Fall, erlauben bei aufrechtem Passwortschutz nicht den Schluss, dass der Unternehmer kein Interesse an der Geheimhaltung mehr hätte. Vielmehr muss angenommen werden, dass die Lücken im System nicht bekannt war, sodass aus deren Vorliegen keinesfalls ein Wegfall des Geheimnischarakters abgeleitet werden kann.

Bezüglich der Aktivlegitimation des Klägers führte der Oberste Gerichtshof aus, dass  die „gehackten“ Daten zwar vom Kunden stammen und sich auf deren geschäftliche Verhältnisse beziehen, sie sich allerdings faktisch in der Verfügungsmacht der Klägerin befanden und sehr wohl ein eigenes Interesse an deren Geheimhaltung besteht, droht doch bei Verlust der Daten die Beendigung des Kundenverhältnisses oder Schadenersatzansprüche der Kunden. Somit fallen die Daten für die Klägerin eindeutig in den Schutzbereich des § 11 Abs 2 UWG und die Klägerin war befugt, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen.

Rechte der Betroffenen (Teil 1): Information

logoVon Franz J Heidinger / Laurin Maran – Ein Hauptanliegen des europäischen Gesetzgebers war die Stärkung  individueller Rechte von Betroffenen, also von Menschen, deren Daten verarbeitet werden. So wurde in Art. 17 EU-DSGVO erstmals das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ gesetzlich normiert und mit Art 20 EU-DSGVO das „Recht auf Datenübertragbarkeit“ eingeführt.

Damit ein Betroffener seine Rechte ausüben kann, muss er allerdings darüber informiert sein, welche Daten von ihm auf welche Weise verarbeitet werden.  Daher beginnt Kapitel III der Datenschutzgrundverordnung, in dem die individuellen Rechte von Betroffenen geregelt werden, mit einer allgemeinen Norm, die deutlich zeigt, dass die europäische Datenverarbeitung ab 2018 von mehr Information und Transparenz geprägt sein wird.

Um eine solche transparente Verarbeitung von Daten sicherzustellen, werden die für die Datenverarbeitung Verantwortlichen in Art 13 und 14 EU-DSGVO verpflichtet, aktiv und unaufgefordert zu informieren. Nur so können Betroffene ihre Rechte effektiv wahrnehmen und durchsetzen. Ob und in welcher Form informiert werden muss, hängt davon ab, ob die Daten direkt bei der betroffenen Person erhoben werden oder aus anderen Quellen stammen.

Grundsätzlich muss jeder Betroffene bei jeder Verarbeitung über den Zweck und die Rechtsgrundlage der Verarbeitung, die Kontaktdaten des Verantwortlichen, ggf. die Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten  und die unter Umständen beabsichtigte Übermittlung in Drittstaaten informiert werden. Erfolgt die Verarbeitung auf Grund eines „berechtigten Interesses“ und nicht aufgrund einer Einwilligung der betroffenen Person, muss mitgeteilt werden, welche berechtigten Interessen vom Verantwortlichen verfolgt werden.

Manche Informationen müssen nur in bestimmten Situationen mitgeteilt werden. So muss ein Betroffener beispielsweise darüber informiert werden, dass über ihn im Zuge von Profiling-Prozessen Entscheidungen  automationsunterstützt getroffen werden.

Sollen Daten zu einem anderen Zweck verarbeitet werden, als für den sie ursprünglich gesammelt wurden, muss der Betroffene über diese Zweckänderung informiert werden und auch bezüglich des „neuen“ Zweckes erneut alle Informationen bekanntgeben.

Werden die Daten direkt beim Betroffenen erhoben, muss dieser bereits zum Zeitpunkt der Datenerhebung mit allen relevanten Informationen versorgt werden. Werden die Daten nicht beim Betroffenen erhoben, sondern stammen von einer anderen Quelle, muss der Betroffene spätestens nach einem Monat informiert werden.

Von diesen sehr umfangreichen Informationspflichten gibt es jedoch auch Ausnahmen. So muss ein Betroffener nicht informiert werden, wenn er die nötigen Informationen bereits kennt oder die Erlangung durch Rechtsvorschriften der Union oder eines Mitgliedstaates ausdrücklich geregelt ist. Zudem darf die Benachrichtigung ausbleiben, wenn die Daten nicht direkt beim Betroffenen erhoben werden und die Unterrichtung für den Verantwortlichen unmöglich ist oder zumindest einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Dieser Aufwand kann beispielsweise dann unverhältnismäßig sein, wenn die Daten zur Archivzwecken im öffentlichen Interesse oder zu Zwecken der Forschung und Statistik verarbeitet werden. Die Frage der Auslegung des doch recht vagen Begriffes des „unverhältnismäßigen Aufwandes“ wird in Zukunft wohl noch das ein oder andere Gericht beschäftigen. Grundsätzlich wird in diese Verhältnismäßigkeitsprüfung noch einfließen, ob die Daten aus einer allgemein zugänglichen Quelle stammen, für sie ein besonderes Geheimhaltungsinteresse besteht und welche Bedeutung der „Aufwand“ für das Unternehmen hat.

Unterliegt der Verantwortliche nach dem Recht des Staates, dem er unterliegt oder nach Unionsrecht einem Berufsgeheimnis, wird die Informationspflicht aufgehoben.

In allen anderen Fällen ist eine Benachrichtigung des Betroffenen unumgänglich. Damit die Informationspflicht auch ihren gewünschten Zweck erfüllt, sind bestimmte Formvorschriften einzuhalten. So sind die Informationen in „präziser, transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ zu erteilen. Weiters muss dies in schriftlicher oder in anderer Form, gegebenenfalls auch elektronisch und unentgeltlich erfolgen.

Dies alles klingt nach sehr viel Aufwand und Kosten für datenverarbeitende Unternehmen. Es wird jedoch, in Anbetracht der Folgen für Verstöße, dringend davon abgeraten, hier nicht rechtzeitig die nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Spart man doch bei drohenden Bußgeldern von bis zu EUR 20.000.000,–  und Schadenersatzansprüche der Betroffenen hier sicherlich an der falschen Stelle.

Der nächste Beitrag widmet sich dem Recht der Betroffenen, von Verantwortlichen Auskunft zu verlangen. Bis dahin kann nur empfohlen werden, dass Unternehmer ihre Datenschutzerklärung unter die Lupe nehmen und prüfen, ob die Pflichten der EU-DSGVO eingehalten werden. Die Profis der Alix Frank Rechtsanwälte GmbH unterstützt Sie dabei gerne!

Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Teil 4): Integrität und Vertraulichkeit

Von Franz J. Heidinger / Laurin Maran – Im letzten Teil unseren kleinen Serie zu den Grundprinzipien des Datenschutzrechts behandeln wir heute Art 5 Abs 1 lit f EU-DSGVO und erklären das Prinzip der Integrität und Vertraulichkeit:

„Persönliche Daten müssen in einer Weise verarbeitet werden, die eine angemessene Sicherheit der personenbezogenen Daten gewährleistet, einschließlich Schutz vor unbefugter oder unrechtmäßiger Verarbeitung und vor unbeabsichtigtem Verlust, unbeabsichtigter Zerstörung oder unbeabsichtigter Schädigung durch geeignete technische und organisatorische Maßnahmen.“

Damit wird die Gewährleistung von Datensicherheit als zentrales Prinzip des Datenschutzrechts gesetzlich verankert. Wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden, hat der dafür Verantwortliche unter Berücksichtigung des Stands der Technik, der Implementierungskosten und der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung sowie der unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeit und Schwere des Risikos für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zu treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu sicherzustellen.

Daraus ergeben sich unterschiedliche Schutzniveaus für unterschiedliche Datenanwendungen. So muss beispielsweise ein Arzt oder eine Anwaltskanzlei, die teilweise im Besitz von hochsensiblen Daten sind, mehr Geld und Zeit in den Schutz dieser Daten investieren, als ein Friseursalon, der personenbezogene Daten nur mit dem Zweck verwendet, jährlich Weihnachtskarten an seine Kunden zu verschicken.

Art 32 EU-DSGVO bietet ein paar Maßnahmen an, wie dieses Schutzniveau hergestellt werden kann. So können die Daten beispielsweise pseudonymisiert oder verschlüsselt werden. Weiters sollten die für die Verarbeitung Verantwortlichen die Fähigkeit haben, die Verfügbarkeit der Daten bei einem physischen oder technischen Zwischenfall schnell wiederherzustellen. Außerdem empfiehlt sich ein Verfahren zur regelmäßigen Kontrolle der Wirksamkeit der technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit und der Verarbeitung zu entwickeln. Falls das Unternehmen über ein internes Kontrollsystem verfügt, könnte dies auf die Kontrolle von Datenschutzmaßnahmen erweitert werden.

Mehr zur Sicherheit der Datenverarbeitung folgt in einem eigenen Kapitel.

Abschließend bleibt zu sagen, dass der Verantwortliche für die Einhaltung all dieser Grundsätze verantwortlich ist und dessen Einhaltung auf Verlangen nachweisen können muss. Diese Rechenschaftspflicht könnte von den Gericht zukünftig dahingehend ausgelegt werden, dass natürliche Personen, denen aufgrund einer Verletzung des Rechts auf Schutz ihrer persönlichen Daten ein Schaden entsteht, für eine Schadenersatzklage gegen den Verantwortlichen nur das Vorliegen eines Schadens nachweisen müssen. Es läge dann am Verantwortlichen zu beweisen, dass er alle rechtlichen Verpflichtungen eingehalten hat und ihn kein Verschulden trifft. Juristisch ausgedrückt kommt es zu einer Beweislastumkehr: Der Geschädigte hat nur den Schaden und die Kausalität zu beweisen, der für die Datenverarbeitung Verantwortliche muss beweisen, dass er nicht rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat.

Verwaltungsgerichtshof verbietet Dashcams

Von Franz J. Heidinger / Laurin MaranVideoaufzeichnungen während der Autofahrt verstoßen gegen das Datenschutzgesetz.

Als Dashcam wird eine Videokamera bezeichnet, die meist auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Fahrzeugs angebracht ist und während der Fahrt fortwährend aufzeichnet. Die aufgezeichneten Daten sollen bei Verkehrsunfällen als Beweismittel dienen, doch laut Verwaltungsgerichtshof (VwGH) verstößt dies gegen das geltende österreichische Datenschutzgesetzt.

Der Antragsteller hat sich redlich bemüht, seine Kamera so datenschutzfreundlich wie möglich zu gestalten. Es sollte ein Bereich vor und hinter dem Auto verschlüsselt aufgezeichnet werden, diese Aufnahmen aber immer nach 60 Sekunden gelöscht werden. Nur im „Anlassfall“ – bei Betätigung eines SOS-Knopfes oder bei einem Verkehrsunfall – sollte eine Speicherung erfolgen. Eine Entschlüsselung der Daten wäre nur im Zusammenhang mit behördlichen Ermittlungen, Gerichtsverfahren oder zu Klärung von Versicherungsfragen erfolgt. Dennoch verweigerte die Datenschutzbehörde die Registrierung dieser Datenanwendung. Es handle sich um eine Videoüberwachung des öffentlichen Raumes und dafür habe eine Privatperson keine Berechtigung.

Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Datenschutzbehörde wurde vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen. Die Richter begründeten dies damit, dass es sich eindeutig um die Verarbeitung personenbezogener Daten handle, der Zweck der Verarbeitung die Identifizierung von Personen sei und eine Identifikation mit rechtlichen Mitteln möglich sei. Es liege nicht nur eine Speicherung im Anlassfall vor, sondern eine systematische, fortlaufende Feststellung des öffentlichen Raumes. Private dürften nur jene Bereiche überwachen, an denen ihnen ein hausrechtsähnliches Verfügungsrecht zukomme und daher seien die Dashcams rechtswidrig.

Gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts war eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig. Doch auch dieser enttäuschte den Autofahrer und wies die Revision ab (Ro 2015/04/00117). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Dashcam zwar nicht schon deshalb unzulässig, weil es an einer Befugnis zur Überwachung mangelt. Weiters muss aber der Eingriff in das Grundrecht auf Datenschutz unter Anwendung der gelindesten zur Verfügung stehenden Mitteln erfolgen.  Der Eingriff muss demnach verhältnismäßig sein. Die Verhältnismäßigkeit sah der VwGH aber als nicht gegeben an, da der Fahrer jederzeit durch Drücken des SOS-Knopfes selbst bestimmen kann, wann eine dauerhafte Speicherung stattfinden soll.

Somit ist die Benutzung von Dashcams in Österreich verboten. Verstöße könnten von der Datenschutzbehörde sanktioniert werden und die durch sie gewonnenen Aufzeichnungen könnten unter Umständen im zivilgerichtlichen Verfahren nicht als Beweis zugelassen werden.

Grundprinzipien des Datenschutzrechts (Teil 2): Zweckbindung

Art. 5 Abs 1 lit b: „Personenbezogene Daten müssen für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesem Zweck nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden.“

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Von Franz J. Heidinger / Laurin Maran – Zur Einhaltung des Zweckbindungsprinzips müssen die einzelnen Verarbeitungsschritte erst in zwei Phasen getrennt werden. Anschließend muss der Zweck aller auf die erstmalige Erhebung der Daten folgenden Datenbearbeitungen darauf geprüft werden, ob er mit dem ursprünglichen Erhebungszweck ident oder zumindest vereinbar, also kompatibel ist. Um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen Zweck, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist, sind die in Art 6 Abs 4 EU-DSGVO genannte Punkte zu berücksichtigen:

  1. Jede Verbindung zwischen den Zwecken, für die die Daten erhoben wurden, und den Zwecken der beabsichtigten Weiterverarbeitung;
  2. den Zusammenhang, in dem die Daten erhoben wurden;
  3. die Art der personenbezogenen Daten, also insbesondere ob besonders schutzwürdige Daten verarbeitet wurden;
  4. die möglichen Folgen der beabsichtigten Weiterverarbeitung für die betroffene Person;
  5. das Vorhandensein geeigneter Garantien, wozu Verschlüsselung oder Pseudonymisierung gehören kann.

Anhand dieser Kriterien, die übrigens in Laufe der Zeit noch durch Gerichte oder Behörden erweitert werden könnten, hat der Verantwortliche zu prüfen, ob durch die Weiterverarbeitung Rechte der betroffenen Person beeinträchtigt werden könnten.

Die Weiterverarbeitung für im öffentlichen Interesse liegende Archivzwecke, für wissenschaftliche oder historische Forschungszwecke oder für statistische Zwecke wird stets als vereinbarer und rechtsmäßiger Verarbeitungsvorgang gelten.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass personenbezogene Daten für andere Zwecke als den ursprünglichen Zweck verarbeitet werden dürfen, wenn auch der neue Verarbeitungszweck für den Betroffenen vorhersehbar war, es sich nicht um sensible Daten handelt und sich der Verantwortliche um das Vorhandensein von geeignete Garantien, also um die Datensicherheit, kümmert. Der Betroffene muss dann allerdings über die Zweckänderung informiert werden und kann dann unter Umständen die Löschung seiner Daten verlangen.

Der nächste Artikel wird dem Grundsatz der Datenminimierung gewidmet sein.

Zulässigkeit der Datenverarbeitung (Teil 2): Berechtigtes Interesse des Verantwortlichen

Von Franz J. Heidinger / Laurin Maran – Nachdem im letzten Beitrag die rechtmäßige Verarbeitung personenbezogener Daten aufgrund der Einwilligung der betroffenen Personen behandelt wurde, widmet sich dieser Artikel dem nächsten Erlaubnistatbestand: Art 6 Abs 1 lit f normiert, dass die Verarbeitung rechtmäßig ist, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist. Allerdings nur dann, wenn durch die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen. Es sind folglich die Interessen des Verantwortlichen gegen die Interessen der betroffenen Person abzuwägen. Je nachdem wessen Interessen überwiegen, ist die Verarbeitung rechtmäßig oder nicht. Die Interessen des Verantwortlichen müssen allerdings nochmal deutlich schwerer wiegen, wenn auf der anderen Seite der Waage die Interessen eines Kindes in der Waagschale liegen.

In anderen Worten ausgedrückt bedeutet das, dass ein Unternehmer personenbezogene Daten verarbeiten darf, wenn

  1. er ein berechtigtes Interesse an der Verarbeitung von personenbezogenen Daten hat, UND
  2.  die Person, von der die Daten stammen, kein Geheimhaltungsinteresse im Bezug auf diese Daten hat, das gegenüber dem Interesse des Unternehmers überwiegt.

Genauere Ausführungen, wie diese Interessenabwägung vorzunehmen ist, sind in augeErwägungsgrund 47 zu finden. So sind zum Beispiel die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen. Ein berechtigtes Interesse auf Seite des Verantwortlichen könnte beispielsweise vorliegen, wenn zwischen einem Unternehmer als die für die Verarbeitung verantwortliche Person und einer betroffenen Person eine Beziehung besteht, zum Beispiel wenn die betroffene Person Kunde des Unternehmens oder bei diesem angestellt ist. Weiters kann die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zweck der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.

Selbstverständlich kann es bei der Abwägung nicht auf die Sicht des Unternehmens ankommen. Dies würde seine eigenen Interessen wohl regelmäßig wichtiger einschätzen als die der Betroffenen. Vielmehr wird es Aufgabe der Gerichte und Behörden sein, in vielen Einzelfallentscheidungen die Linie zwischen rechtsmäßiger und rechtswidriger Verarbeitung zu ziehen. Momentan herrscht diesbezüglich noch eine ziemliche Rechtsunsicherheit und es ist noch nicht absehbar, für welche Situationen dieser Erlaubnistatbestand herangezogen werden kann.

Wie eine solche Einzelfallentscheidung in Zukunft aussehen könnte, wurde erst kürzlich vom Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-131/12 Google Spain vs. AEPD demonstriert: Hier wurde das wirtschaftliche Interesse von Google gegen das Interesse einer Person, nicht in der Ergebnisliste der Suchmaschine aufzuscheinen, abgewogen. Die Richter in Luxemburg stellten fest, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die von einem Suchmaschinenbetreiber vorgenommen wird, es jedem Internetnutzer ermöglicht, bei Durchführung einer Suche anhand des Namens einer natürlichen Person mit der Ergebnisliste einen strukturierten Überblick über die zu ihr im Internet verfügbaren Informationen zu erhalten. Somit kann ein detailliertes Profil einer Person erstellt werden. Dieser Eingriff in die Rechte der betroffenen Person wiege so schwer, dass er nicht allein mit dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers an der Verarbeitung gerechtfertigt werden kann.

Ausgangspunkt war das Missfallen eines Spaniers am Umstand, dass man bei der Suche seines Namens auf einen alten Zeitungsartikel stieß, der ihn mit einer Insolvenz in Verbindung brachte. Der EuGH sah in der Indexierung und Zurverfügungstellung von Links zu bestimmten Homepages durch Google als Verantwortlichen eine eigenständige Verarbeitung personenbezogener Daten, für die Google einen Erlaubnistatbestand braucht. Dieser Erlaubnistatbestand war die oben beschriebene Interessensabwägung. Laut EuGH überwiegten in diesem Fall aber die Interessen des Spaniers, der Erlaubnistatbestand fiel somit weg und die Verarbeitung war rechtswidrig.

Seitdem kann bei Google ein Antrag auf Löschung gestellt werden. Das Unternehmen prüft dann intern, ob die Interessen des Antragsstellers größer sind als die wirtschaftlichen Interessen von Google und die Interesse der Internetnutzer an genau diesen Informationen und löscht gegebenenfalls konkrete Links aus der Ergebnisliste. Entscheidet der Suchmaschinenbetreiber nicht im Sinne des Antragstellers, bleibt diesem der Weg zu Gericht.

Diese Entscheidung ist, wie immer im Falle einer Interessensabwägung, nur eine Einzelfallentscheidung und kann für andere lediglich eine grober Kompass sein, der zeigt, in welche Richtung die Reise geht. Unternehmen, die aufgrund dieses Erlaubnistatbestandes personenbezogene Daten verarbeiten, ist daher zu empfehlen, zukünftige Entscheidungen genau zu studieren und ihre eigene Datenverarbeitung gegebenenfalls anzupassen. Sollte es diesbezüglich Neuerungen oder Konkretisierungen geben, wird sie DER DATENSCHUTZBLOG selbstverständlich darüber informieren.

Zulässigkeit der Datenverarbeitung (Teil 1): Die Einwilligung der betroffenen Person

Von Franz J. Heidinger / Laurin Maran – Die entscheidende Frage im datenschutzrechtlichen Kontext ist die nach der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Die EU-DSGVO bringt diesbezüglich keine überraschende Neuerung im Vergleich zur aktuellen Rechtslage, ein paar zusätzliche Bestimmungen gibt es allerdings schon.

Das europäische Datenschutzregime basiert auf dem Grundsatz „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. Das bedeutet, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann rechtmäßig ist, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs 1 EU-DSGVO aufgezählten Bedingungen erfüllt ist. Die Bedingungen sind die Folgenden:

  1. Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehreren bestimmte Zwecke gegeben.
  2. Die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen.
  3. Die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt.
  4. Die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen einer natürlichen Person zu schützen.
  5. Die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde.
  6. Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

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Die Einwilligung

Die Verarbeitung ist also grundsätzlich verboten, es sei denn, die betroffene Person willigt in die Verwendung ihrer personenbezogenen Daten ein. Dieser Erlaubnisgrund ist wohl die meist gebrauchte Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung. Der Begriff der Einwilligung wird in der EU-DSGVO in Art. 4 wie folgt definiert:

Die Einwilligung der betroffenen Person ist jede freiwillige für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden Personenbezogenen Daten einverstanden ist.

Diese Erklärung kann etwa durch das Anklicken eines Kästchens beim Besuch einer Internetseite oder durch die Auswahl technischer Einstellungen für Dienste der Informationsgesellschaft geschehen. Stillschweigen, bereits angekreuzte Kästchen oder Untätigkeit der betroffenen Person sind keine gültigen Einwilligungen. Die betroffene Person muss also in Kenntnis darüber, zu welchen Zwecken seine Daten verarbeitet werden, selbst und freiwillig aktiv werden.

Gemäß Art 7 Abs 1 EU-DSGVO muss der für die Verarbeitung Verantwortliche nachweisen können, dass die  betroffene Person in die Verarbeitung ihrer Daten eingewilligt hat. Unternehmen haben somit eine Protokollierungspflicht und müssen Einwilligungen bei Bedarf dokumentieren können.

Der Begriff Einwilligung in „informierter Weise“ wird in Art 7 Abs 2 weiter konkretisiert. Erfolgt diese nämlich durch eine schriftliche Erklärung, die noch andere Sachverhalte betrifft, so muss das Ersuchen um die Einwilligung in verständlicher und leicht zugänglicher Form sowie in einer klaren und einfachen Sprache erfolgen, und zwar so, dass es von anderen Sachverhalten eindeutig zu unterscheiden ist. Die betroffene Person muss also klar erkennen können, in was sie einwilligt, und zwar ohne davor ein datenschutzrechtliches Studium absolvieren zu müssen.

„Freiwillig“ ist eine Einwilligung nur dann, wenn sie sich nur auf Daten bezieht, die der Verarbeiter für die konkrete Vertragserfüllung benötigt. Lässt sich der Verarbeiter jedoch mit derselben Einwilligung auch die Verarbeitung von Daten erlauben, die für die Vertragserfüllung nicht benötigt werden, spricht das gegen die Freiwilligkeit. Somit gibt es ab 2018 ein sogenanntes Kopplungsverbot.

Beispiel für ein Kopplungsverbot:

Eine Bildbearbeitungs-App fürs Smartphone nimmt sich in seinen Datenschutzbestimmungen das Recht heraus, auf das Telefonbuch des Nutzers, auf die Nutzungsdauer des Handys und auf seine Standortdaten zuzugreifen. Dies sind eindeutig Daten, die nicht zur Bearbeitung von Fotos benötigt werden. Möchte der Nutzer die App jedoch nutzen, muss er den Zugriff vollumfänglich erlauben. Diese Datenschutzbestimmungen widersprechen den Kopplungsverbot und wären gemäß der EU-DSGVO rechtswidrig.

Einwilligung bei Kindern

Artikel 8 behandelt die Bedingungen für die Einwilligung von Kindern im Bezug auf Dienste der Informationsgesellschaft: Eine Person unter 16 Jahren ist nicht fähig, eine gültige Einwilligung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu geben. Für Kinder unter 16 Jahren muss die Einwilligung also von den Eltern gegeben werden. Von dieser Altersgrenze kann zwar jeder Mitgliedsstaat mit eigenen Regelungen abweichen, allerdings müssen Kinder mindestens das 13. Lebensjahr vollendet haben.

Wie die für die Datenverarbeitung verantwortlichen Personen diese Regelungen umsetzen sollen, wird im Gesetz nicht beschrieben und wird wohl mit erheblichen Problemen verbunden sein. Mit einem „mit Anklicken des Kästchen bestätige ich, dass ich über 16 Jahre alt bin“ wird es wohl nicht getan sein.

Ein weiteres Problem werden die unterschiedlichen Regelungen bezüglich der Altersgrenze in Europa aufwerfen. Gerade bei der Datenverarbeitung im Internet, das sich bekanntlich nicht an Ländergrenzen hält, werden die verschiedenen Altersgrenzen zur Einwilligungsfähigkeit erhebliche Schwierigkeiten bringen. Man stelle sich vor, die Altersgrenze in Österreich bleibt bei 16 Jahren, in Deutschland wird sie auf 15 Jahre gesenkt und der ungarische Gesetzgeber ist der Meinung, schon mit 13 Jahren könne man eine Einwilligung geben. Ein Betreiber einer Handy-App, dessen Datenverarbeitung auf der Einwilligung beruht, müsste nun für jeden Mitgliedsstaat individuelle Schutzmechanismen entwickeln. Mit einer Harmonisierung des europäischen Datenschutzrechts hat das nicht mehr viel zu tun.

Handlungsbedarf für Unternehmen

Unternehmen sollten jetzt ihre Datenschutzbestimmungen und Zustimmungserklärungen dahingehend überprüfen, ob sie den Regelungen der EU-DSGVO entsprechen. Sollte dies nicht der Fall sein, müssen sie bis zum 25. Mai 2018 überarbeitet und angepasst werden.

Falls nicht schon vorhanden muss eine Infrastruktur geschaffen werden, um abgegebene Einwilligungen individuell nachweisen zu können.

Sollten unter den Kunden auch Personen unter 16 Jahren sein, werden gegebene Einwilligungen ab 2018 wohl unwirksam sein und müssten dann neu eingeholt werden.

In Anbetracht der Strafdrohungen in Höhe von bis zu 20 Millionen Euro für Verstöße gegen die EU-DSGVO sollte unter Umständen die Beiziehung professioneller Unterstützung in Betracht gezogen werden.